Die Ausbeinmeisterschaft 2017 war wiederum ein toller Anlass und ein würdiges Ereignis für die Fleischfachbranche
Anspannung liegt in der Luft. Trotzdem wirken die Wettkämpfer gelassen. Tritt man in ihre Nähe und schaut auf ihre kräftigen Hände, sieht man schnell, wie sie zittern. Auch die Zuschauer und Fans auf der gut gefüllten Tribüne bibbern mit ihnen: Denn die 15. Schweizer Meisterschaft im Ausbeinen findet dieses Jahr in der Ilfishalle in Langnau statt.
Trotz winterlichen zehn Grad geht es auf der Eisfläche hitzig zu und her. Nur gerade zehn Minuten bleiben den Teilnehmern dafür, drei Schweineschultern auszubeinen, damit sie sich für den Achtelfinal an diesem Nachmittag qualifizieren können. So kommt es vor, dass in der Hitze des Gefechts ein Knochen die Abfallkiste verfehlt oder kleine Fleischstücke auf den Boden fallen. Kurz nachdem die Zeit um ist, betreten bereits wieder die nächsten zwanzig Kandidaten das Eisfeld. Sie messen sich in fünf Kategorien untereinander.
Um die Eisfläche betreten zu können, müssen sich die Wettkämpfer verschiedensten Kontrollen unterziehen: So werden Klingen auf ihre Breite geprüft, denn der Einsatz von zu stark geschliffenen Messern ist verboten. Stechschutzschürze und -handschuhe, welche die Teilnehmer über ihren Berufskleidern und unter der blauen Einwegschürze tragen, schützen nur vor Messern mit einer Klingenbreite bis acht Millimeter. Nebst Sicherheit sind Hygiene und Sauberkeit in dieser Branche das A und 0. Die Hände und Füsse aller, welche die Eisfläche betreten wollen, werden daher gründlich gewaschen. Die Absperrung am Ende der Schleuse gibt den Weg erst bei grünem Licht frei. So werden die Hände durch eine Art Waschautomaten eingeseift, abgespült und getrocknet, ehe ein Spritzer Desinfektionsmittel die letzten Keime vernichtet. Parallel dazu werden die Schuhsohlen von Rollen gesäubert und poliert.
Die Zeitmesser säubern die Tische und bereiten sie für den nächsten Kandidaten vor. Dann ertönt aus den Lautsprechern erneut der Countdown. Die Messer liegen griffbereit auf den weissen Tischen, damit die Teilnehmer keine Sekunde der wertvollen Zeit verlieren. Auf die mehrfache Frage, wie man beim Ausbeinen am besten vorgeht, gibt es aber keine generelle Antwort. «Man macht es so, wie man es gelernt hat», sagt Andreas Gerber, Teilnehmer in der Kategorie Altmeister. Er wurde Schweizer Meister der Kategorie Metzger 2012. «Als Erstes nehme ich das Schulterblatt heraus, bevor ich mich dem Wadliknochen und später dem Mittelknochen widme.» Für den Bauern ist das Metzgen kein Hobby, sondern eine wahre Leidenschaft. Nachdem er seine Berufslehre 1981 als Metzger abgeschlossen und einige Jahre auf dem Beruf gearbeitet hatte, begann er die Ausbildung zum Landwirt. Er habe aber weiterhin im Stundenlohn als Metzger gearbeitet, bis er den Bauernhof seiner Eltern übernommen habe, erzählt Gerber. Seither arbeite er nicht mehr so oft in der Fleischbranche, helfe aber gern aus, wenn Not am Mann ist.
Für Gerber ist die Kombination von Landwirtschaft und Fleischverarbeitung von grosser Bedeutung. Denn sie widerspiegle die Wertschöpfungskette und mache ersichtlich, welche Position die Landwirtschaft für den Fleischmarkt habe. Die Passion für das Ausbeinen hat der 54-jährige Landwirt nie verloren. Er bereite sich während dreier Wochen auf die Schweizer Meisterschaft vor. «Das Kribbeln und die Vorfreude setzen aber schon einige Wochen zuvor ein», erzählt Gerber begeistert. Wie er sich im Detail auf den Wettkampf vorbereitet, verrät er aber nicht. Was zum Erfolg beitragen dürfte: seine zahlreichen Fans. Knapp zehn Angehörige stehen dem Altmeister zur Seite. «Selbst wenn ich mich komplett auf die Arbeit fokussiere, spüre ich ihre Unterstützung», sagt Gerber. «Sie sind meine Inspiration und geben mir Kraft.» Trotz der vielen Zurufe reichte es dem Langnauer knapp nicht auf das Podest. Seine Mitstreiter konnten die fünf Schweineschultern im Halbfinal schneller verarbeiten. Mit dem vierten Platz ist Gerber nicht zufrieden. Sein Ziel war ein Podestplatz, wenn nicht sogar der erste Rang. Trotzdem werde er nächstes Jahr wieder teilnehmen, sagt er, aber möglicherweise etwas langsamer und exakter arbeiten. (Artikel in der Berner Zeitung, Rubrik Kanton, vom 21.08.2017 von Salome Studer)